Als ich am ersten Morgen nach dem großen Februarwolkenbruch aufstand und aus dem Fenster meines Rancho’s schaute, sah ich, wie wunderschön das Maisfeld blühte. Es sah aus wie ein See in der Teeprovinz. Dann ging ich durch die schmale Schneise des Maisfeldes zu meinem Herrn hinüber, der da saß und nichts tat. Als ich auch so in die Leere starrte, kamen all die Gefühle wieder auf, die ich für meine Frau empfand, die vor sieben Tagen ertrunken ist. Auf einmal wurde ich unterbrochen, unterbrochen von einem gewaltigen Donnern aus der Ferne. Der Fluss Parana, der durch den vielen Regen aus allen Nähten platzte, brach in das Land ein.
Alle wussten es und sahen dem Ende entgegen. Die Männer von Santa Sabine, der Teeprovinz hatten schon so mancher Katastrophe ins Auge gesehen, aber diesmal wussten sie, dass dieses Ereignis eine härtere Prüfung werden würde, die keiner unversehrt überstehen würde. Wir saßen noch länger auf unserer kleinen Insel und dachten nach über all die schönen Zeiten und unsere Zukunft – wenn es überhaupt eine geben würde.
Wir setzten die Maiskiste, auf der wir saßen immer einen halben Meter zurück, damit uns das immer weiter ansteigende Wasser nicht naßmachen würde. Das Wasser suchte sich seinen Weg, stieg immer höher und ließ sich nicht bekämpfen. Am Abend fiel das Hühnerhaus und zugleich zischte der Herd, weil das Wasser auch schon bis zu ihm vorgedrungen war. Als es dunkel wurde, zogen wir um auf das Schilfdach, weil uns das Wasser schon bis zum Bauch stand. Die Dinge des Hauses und ein totes Huhn schwammen auch so allmählich vor sich hin. Immer dem Strom des Paranas hinterher. Auf einmal merkte ich nur einen großen Ruck. Mein Herr erschrak und ich sah, wie wir uns auf dem Dach sitzend drehten und bewegten. Die Hütte war schon eingestürzt und wir trieben ohne Halt und ohne Ende in Sicht den Strom des Flusses entlang.
Wir sahen so Manches Unheil. Tote Tiere aller Art die in unserem Land leben, Gegenstände, wie Töpfe, Stühle, Regale, und die halbe Ernte des Landes. Meist an uns her schwimmend oder an Land gespült. Am Morgen des nächsten Tages wurde ich müder und müder. Auf einmal hörte ich nur mit lauter aggressiver Stimme wie mir mein Herr befahl, dass ich wach bleiben solle. Immer mehr trieben kleinere Bündel des Daches unter uns weg und ich wusste, dass einer von uns das Floß verlassen müsse, damit einer von uns es noch bis zum nächsten Morgen schaffen würde. Wir wussten nicht mehr wo wir waren und vor dem vielen Nebel konnten wir unseren Standpunkt auch nicht orten.
Als mein Herr der Farmer seine letzte Zigarette herausholte und mir eine Hälfte davon gab um diese zu kauen, weil wir kein Feuer hatten, empfand ich keine Feindschaft mehr für ihn, sondern liebliche Gefühle. Ich fragte mich, was ich noch auf dieser Welt zu suchen hatte – ich hatte alles, was mir heilig und lieb war verloren. Ich zögerte nicht lange und schaute in das Wasser. Nachdem ich mir alles noch einmal durch den Kopf gingen ließ, sprang ich einfach in das Wasser. Nach keiner Sekunde spürte ich, wie mir etwas unter die Arme griff. Es war mein Herr, der mich mit fast wütendem Gesicht aus dem Wasser zog.
Nach diesem Vorfall saßen wir wieder still auf dem Dach, das uns gerade so durch das Land trug. Wir saßen dort genauso wie am Morgen zuvor, an dem wir auf das Meer des Maisfeldes starrten. Nur jetzt war es nicht das Maisfeld, sondern das Wasser um uns. Auf einmal verzog der Nebel in den Schwielen der Zeit und wir sahen Land. Land das langsam immer näher kam. In der besten Gelegenheit schwammen wir hinüber zum anderen Ufer und machten uns auf den Weg ins Nichts.
Was kaum zu glauben war – Mein Herr sagte nur noch nach all den Stunden des Schweigens: “Nun machen wir uns auf den Weg zurück und fangen neu an.“ Es war kaum zu glauben, aber es war wahr. Nachdem mein Herr diese für mich heiligen Worte sagte, hörte es auch schon auf zu regnen. Nach drei Tagen des Wanderns kamen wir endlich an und begannen von Neu.
Aufsatz Axel E. H. Waterkamp – September 2003 ### 706 Wörter