Stoffel Stiemerding aus Emmerstedt war ein nichtsnutziger Geselle. Anstatt seinem Vater bei der Feldarbeit und der Leineweberei zur Hand zu gehen, trieb er sich lieber in der Emmerstedter Feldmark umher und legte Schlingen für Hasen und Rehe. Am liebsten hielt er sich am Magdeburger Tore in Helmstedt auf, wenn dort wallensteinsche oder schwedische Landsknechte lagerten, mit ihren Taten prahlten und ihr Beutegeld rollen ließen. Ja, so ein wildes Leben war nach seinem Geschmack.
Eines Tages war Stoffel verschwunden. Als Troßbube zog er mit den Schweden gegen die Kaiserlichen. Aber schon beim ersten Treffen der gegnerischen Heerhaufen wurde er, da er ja keinerlei Erfahrung im rauhen Kriegsgewerbe hatte, so zugerichtet, daß er mit nur einem Auge, einem steifen Beine, schwacher Lunge und ohne ersehnte Beute nach Hause wandern mußte. Hier ‚trieb er es trotz seiner bösen Erfahrungen nur noch toller. Bier, Branntwein, Gesottenes und Gebratenes wollte er haben. Wenn seine Mutter ihm das Essen nicht gut genug machte, riß er sie an den Haaren und schlug ihr ins Gesicht.
Einmal hatte Stoffel bei den Landsknechten in Helmstedt soviel getrunken, daß er den Weg nach Hause nicht finden konnte, sich verirrte und im Schalkebach ertrank. Nun hatte das Dorf Ruhe. An der Kirche - hier war damals der Friedhof auf dem Kirchberg - wurde er begraben.
Als nach einem Monat der Pannemann und Totengräber Korte über den Friedhof ging, erschrak er und wäre bald vor Entsetzen auf den Rücken gefallen. Aus dem Grabe des Stoffel ragte mahnend eine Hand empor. Kopfschüttelnd bog Korte die Hand in die Erde zurück und warf neun Schaufeln Sand darauf, denn er konnte es sich nicht erklären, wie die Hand aus dem Sarge und durch fast drei Ellen Erde gewachsen war. Nach einem Monat war zum größten Schrecken des Totengräbers die Hand wieder aus dem Grabe gewachsen. Kurz entschlossen schnitt Korte die Hand mit einer Sichel ab und brachte sie in die Sakristei der Kirche, wo sie lange Zeit als mahnendes Zeichen für die Übertreter des vierten Gebotes liegt. Heute kann sie jeder Besucher im Emmerstedter Museumshof gestaunen.
Erzählung von Lehrer Herbert Bottke aus Emmerstedt. Ergänzungen von mir.